Aspirin
Aspirin ist ein schmerzstillendes Arzneimittel mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure (kurz ASS).
ASS ist ein weit verbreiteter schmerzstillender, entzündungshemmender, fiebersenkender und thrombozytenaggregationshemmender (TAH) Wirkstoff, der seit 1977 auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO steht. Der Wirkstoff wird seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Aspirin® von der Bayer AG vermarktet und wurde im Jahr 1899 von der Bayer AG geschützt. Mittlerweile ist dieser Markenschutz entfallen, wodurch es zahlreiche Präparate gibt, die den gleichen Wirkstoff enthalten, jedoch deutlich preiswerter sind, als Aspirin® als Original.
Geschichtlicher Hintergrund
Die Vorstufe Salicylsäure wurde bereits ab 1874 durch Friedrich von Heyden (Chemische Fabrik v. Heyden in Radebeul) großtechnisch durch Kolbe-Schmitt-Reaktion hergestellt. Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden und de bittere Geschmack der Substanz schränkten die Einsatzmöglichkeiten als Medikament jedoch stark ein. Einen ersten Versuch zur Herstellung des gemischten Acetylsalicylsäureanhydrids
[1] aus Acetylchlorid und Natriumsalicylat machte 1853 Charles Frédéric Gerhardt. Aus Acetylchlorid und Salicylsäure, jedoch unter Zusatz von Eisen(III)-chlorid unter Friedel-Crafts-Bedingungen von 1877, wurde Anfang 1897 die p-Acetylsalicylsäure (Smp. 210°C) hergestellt.
[2]
Am 10. August 1897 gelang erstmals im Bayer-Stammwerk in Elberfeld die Synthese von nebenproduktfreier o-Acetylsalicylsäure (Smp. 136°C) aus Acetanhydrid und Salicylsäure. In einer US-Patentschrift US644077 vom 1. August 1898[3] stellte der Erfinder Felix Hoffmann nochmals detailliert klar, dass nur bei seinem Verfahren die gewünschte Acetylsalicylsäure in reiner Form gebildet wird, im Gegensatz zu den von Kraut beschriebenen Varianten. Das Mittel wurde von Kurt Witthauer am Diakoniekrankenhaus in Halle 1898 auf seine Vorteile hin an Patienten geprüft.[4]
Das Produkt wurde 1897 Aspirin genannt. Geprägt wurde der Name Aspirin durch Kurt Witthauer, Oberarzt am Diakonissenkrankenhaus Halle/Saale. Witthauer publizierte die erste klinische Studie über die Anwendung von Acetylsalicylsäure.[5][6] Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Bayer im Rahmen des Versailler Vertrags gezwungen, die Rechte an der Marke Aspirin für das Gebiet der Siegermächte USA, Frankreich und Großbritannien aufzugeben. In den USA kaufte das Pharmaunternehmen Sterling Drug 1918 von der US-Verwaltung für feindlichen Besitz die Markenrechte, verlor sie jedoch durch einen Gerichtsbeschluss in den 1950er Jahren wieder, so dass der Name ?Aspirin? in den USA als Patent aufgelöst wurde. 1994 schließlich kaufte die Bayer AG das Unternehmen Sterling Drug von seinem vorübergehenden Eigentümer Kodak für 1 Milliarde Dollar, und seitdem verkauft Bayer in den USA wieder ?Aspirin? von Bayer, welches das weltweit meistgekaufte ASS-Präparat darstellt.
Pharmakologische Wirkungen und Nebenwirkungen
Acetylsalicylsäure wirkt bereits in geringen Dosen (30?50 mg) gerinnungshemmend, mit steigender Dosis (0,5?2 g) auch schmerzstillend, antirheumatisch sowie fiebersenkend und schließlich in hohen Dosen (2?5 g) entzündungshemmend. Die Magenunverträglichkeit beruht zu einem wesentlichen Teil auf der (gewünschten) systemischen Hemmung der Prostaglandinsynthese und lässt sich durch andere Darreichungsformen (magensaftresistente Tablette, Zäpfchen oder intravenöse Gabe) allenfalls abmildern. Eine Arzneiform, die auf der Magenschleimhaut aufliegend den Wirkstoff abgibt, beeinträchtigt das Gewebe des Magens kurzzeitig jedoch noch zusätzlich. Über die Hemmung der Prostaglandinsynthese kann die Acetylsalicylsäure auch die Entartung von gutartigen Darmgeschwülsten zu Krebs behindern. Auch das Melanom könnte durch die regelmäßige Einnahme von ASS verhindert werden.
[7] Bei der kurzzeitigen Anwendung in Dosierungen von 500?1000 mg bei akuten Schmerzen ist Acetylsalicylsäure in ihrer Verträglichkeit in etwa mit den anderen apothekenpflichtigen Schmerzmitteln vergleichbar.
Die bei analgetischer Dosierung auftretenden Nebenwirkungen sind meist leichterer Art: Übelkeit, Sodbrennen und Erbrechen werden relativ häufig beobachtet. Bei Asthmatikern kann Acetylsalicylsäure Ursache von Anfällen sein. Eine Kreuzreaktion zu anderen Schmerzmitteln wie beispielsweise Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen ist häufig. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft weist darauf hin, dass Acetylsalicylsäure aufgrund ihrer Reizwirkung bei regelmäßiger Einnahme Schleimhautreizungen, Blutungen im Magen-Darm-Trakt und Magengeschwüre verursachen kann. Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) ist Vorsicht geboten, da Acetylsalicylsäure schubauslösend wirken kann. 1999 wurde die Anzahl tödlicher Ereignisse im Zusammenhang mit Aspirin und ähnlichen Schmerzmitteln unter Amerikanern auf jährlich 16.500 geschätzt.
[8]
Im Jahr 2004 geriet Aspirin in die Schlagzeilen, da in einer großen Studie mit 88.000 Teilnehmerinnen (Nurses' Health Study) ein Zusammenhang zwischen langjähriger und häufiger Aspirineinnahme und Bauchspeicheldrüsenkarzinomen gezeigt wurde. In einer vorhergehenden Studie mit 28.000 Teilnehmerinnen (Iowa Women's Health Study) wurde zuvor jedoch gerade ein gegenteiliger Effekt für Aspirin gezeigt, nämlich dass die regelmäßige Einnahme vor Bauchspeicheldrüsenkrebs schützt. Eine noch größere Studie der American Cancer Society mit insgesamt 987.000 Teilnehmern zeigte dann jedoch, dass Aspirin weder einen fördernden noch einen schützenden Effekt in Bezug auf Bauchspeicheldrüsenkrebs hat. Dies gilt für Frauen wie für Männer. Wie eine 2010 veröffentlichte Studie aus der Schweiz aufzeigte, kann die regelmäßige Einnahme von Aspirin nicht nur zu häufigerem Nasenbluten führen; bei den Patienten, die Aspirin zur Prophylaxe von Herzerkrankungen in Dosen von 100 mg und 300 mg täglich einnahmen, verlief Nasenbluten schwerer als bei vergleichbaren Patienten ohne Aspirineinnahme und bedurfte öfter einer chirurgischen Behandlung.[9]
Hohe Dosen, beispielsweise 10 g ASS beim Erwachsenen, können bereits zu einer lebensgefährlichen metabolischen Azidose (Übersäuerung) mit Atemlähmung und Bewusstlosigkeit führen. Weiterhin kann das Innenohr geschädigt werden, was sich in einem Hörverlust oder Tinnitus äußert. Auch Nierenschädigungen sind dokumentiert worden. Abgelaufene und/oder nach Essig riechende Präparate sollten nicht mehr verwendet werden. Letztere waren womöglich großer Wärme und Feuchtigkeit ausgesetzt, wodurch nicht nur die Wirkung beeinträchtigt wird, sondern auch für den Magen toxische Abbauprodukte entstehen könnten.
Quellen / Studien:
[1] von Gebhardt als ?wasserfreie Salicylsäure-Essigsäure? bezeichnet. [2] M. Bialobrzeski, M. Nencki: Ueber die Acetsalicylsäure. In: Ber. d. dt. Chem. Ges. 30, 1776?1779 (1897). ? CAS-Nr. 13110-96-8 (Smp. 215?216 °C). [3] Felix Hoffmann: Acetyl salicylic acid. US 644077, Prioritätsdatum 1. August 1898. [4] Diakoniekrankenhaus Halle von 1868 [5] Karsten Schrör, H. K. Breddin: Acetylsalicylsäure im kardiovaskulären System: 50 Jahre nach Felix Hoffmann. Springer DE, 1996, ISBN 3-7643-5646-4, S. 8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). [6] Walter Sneader: The discovery of aspirin: a reappraisal. In: BMJ. 2000 December 23; 321(7276), S. 1591?1594. PMC 1119266 (freier Volltext) [7] Christina A. Gamba, Susan M. Swetter, Marcia L. Stefanick, Jessica Kubo, Manisha Desai, Katrina M. Spaunhurst, Animesh A. Sinha, Maryam M. Asgari, Susan Sturgeon, Jean Y. Tang: Aspirin is associated with lower melanoma risk among postmenopausal Caucasian women. In: Cancer. 2013, S. n/a?n/a, doi:10.1002/cncr.27817. [8] M. M. Wolfe u. a.: Gastrointestinal Toxicity of Nonsteroidal Antiinflammatory Drugs. In: N Engl J Med. 340 (1999), S. 1888?1899. [9] M. B. Soyka, K. Rufibach, A. Huber, D. Holzmann: Is severe epistaxis associated with acetylsalicylic acid intake?. In: The Laryngoscope. 120, Nr. 1, Januar 2010, S. 200?207. doi:10.1002/lary.20695. PMID 19877246.
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